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Aus der Festschrift 2006

Vorwort zum 100jährigen Jubiläum der Christuskirche

„Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses“ (Psalm 26, Vers 8)

100 Jahre Christuskirche 1906 – 2006

„Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses“ – dieser Vers aus dem 26. Psalm begleitet uns im Jubiläumsjahr der Christuskirche, die am 26. September 1906 auf dem Gelände des ehemaligen evangelischen Friedhofs nach zweijähriger Bauzeit in festlicher Form ihrer Bestimmung übergeben wurde. Ein gefühlvolles und schönes Leitwort. Man stellt sich den Beter vor, der seiner Liebe zum Gottesdienst in dieser Art und Weise Ausdruck schenkte, wie er sich immer wieder ehrfurchtsvoll in das Gotteshaus begab und sich dort unter das Wort des Herrn stellte, um Trost, Freude, Vergebung und Wegweisung für sein Leben zu erfahren. 

Wenn wir uns nun die historischen Dokumente von den Einweihungsfeierlichkeiten der Christuskirche anschauen, begegnen wir erneut dieser Gefühlswelt des Beters und werden darauf verwiesen, dass wir über die Zeiten hinweg miteinander verbunden sind: durch unsere -tiefe Angewiesenheit auf Gott und sein heilsames Wort, welches wir in seinem Haus in der Gemeinschaft hören und feiern dürfen. Wie viel Dankbarkeit, Freude und auch berechtigter Stolz klingt uns da entgegen? 100 Jahre nach Entstehung der Gemeinde und der gottesdienstlichen Feier in der nunmehr zu klein gewordenen Klosterkirche Marienberg ist das große Werk vollendet: der Bau der ersten evangelischen Kirche auf Neusser Boden. 

Was die Möglichkeiten der damaligen Gemeinde zu überfordern schien, mit Gottes Hilfe und großer Beharrlichkeit der Verantwortlichen um Pfarrer Hermanns wurde das große Ziel  erreicht. Seitdem sind 100 Jahre ins Land gezogen. Wenn die Steine der Kirche erzählen könnten, was würden sie uns berichten? Sicher von den großen und umwälzenden Entwicklungen in Deutschland und in Neuss, von den Weltkriegen, von der Ankunft der zahlreichen Flüchtlinge, von der erforderlich gewordenen Teilung der Gemeinde im Jahre 1964. Aber auch von den kleinen Dingen des Lebens, von den Gläubigen, die über die Generationen hinweg in ihr, der Christuskirche, Taufe, Abendmahl und Konfirmation feierten, die sich das Ja–Wort am Altar gaben, die ihre Verstorbenen in die Fürbitte aufnahmen, die einen Ort der Einkehr, des Gebets, der Hilfe hier fanden.

„Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt!“ In den nunmehr zwanzig Jahren, in denen ich in der Christuskirche den Dienst am Wort des Herrn verrichten darf, habe ich oftmals Menschen gehört, die mir mit ihren eigenen Worten -dieses Psalmwort  mitteilten. Sie erinnerten an die Erfahrungen, die sie selbst an diesem Ort gemacht haben bzw. schon ihre Eltern oder Groß-eltern. Erfahrungen, die ihr Leben geprägt haben und mit diesem Ort verbunden bleiben werden. Und immer wieder beobachte ich  auch Menschen, die außerhalb der Gottesdienste in einem kurzen stillen Gebet für einen Moment vor der Christusfigur über dem Eingangsportal innehalten. Gewiss, als Evangelische haben wir traditionsbedingt ein kritisches Verhältnis zu ‚heiligen Stätten’. Schon der Reformator Martin Luther betonte, dass das Entscheidende ja Gottes Wort sei. Und dies könne überall wohnen: auf dem Felde, in der Kirche oder auf dem Meer. Und umgekehrt ist sein Haus dort nicht zu finden, wo sein Wort nicht wohnt, und sei es eine  Kirche. Dem Reformator ist in dieser Einschätzung zuzustimmen. Dennoch dürfen wir uns freuen über ein Gotteshaus wie die Christuskirche. Wenn man sie betritt, spürt man, dass sie schon selbst eine Predigt darstellt, dass sie uns auf unseren Schöpfer und seine Liebe in Christus in der ihr eigenen Sprache hinweist, eine Sprache, die die Menschen intuitiv verstehen. Und die Kirche ist es wert, dass man sie erhält und – liebt. Christus selbst hat, als er die Händler aus dem Tempel austrieb, uns das Wort seines himmlischen Vaters in Erinnerung gerufen: „Mein Haus soll ein Bethaus heißen“, und damit betont, dass ein Gotteshaus besonderen Respekt verdient.

In unseren Zeiten, die von einer zunehmenden Säkularisation gekennzeichnet sind, kommt spirituellen  Räumen wie der Christuskirche besonders große Bedeutung zu. Viele Menschen erleben eine geistliche Verarmung der Gesellschaft. Die Christuskirche mit ihrem Umfeld stellt in dieser Hinsicht in unserer Stadt ein Refugium dar, wo Menschen mit dem , was sie an Dank oder Bitte, an Sorge oder Freude umtreibt, Gehör bei Gott, in seinem Bethaus finden und eine Gemeinschaft, mit der sie dort Brot und Wein teilen dürfen.

„Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses!“ Des Beters Worte, es sind auch meine eigenen.

Mit Dankbarkeit und Freude begeht die Gemeinde das Jubiläumsjahr.

Gott möge uns die Kraft und die Möglichkeiten schenken, sein Haus auch für die kommenden Generationen zu erhalten. Denn es ist ein Ort, wo seine Ehre wohnt.

Franz Dohmes, Pfarrer an der Christuskirche Neuss

Oktober 1985 bis Februar 2021

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