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Von den mühsamen Anfängen

Von den mühsamen Anfängen bis zur glanzvollen Einweihung

Die Errichtung der Christuskirche in Neuss – 1904 bis 1906

Was jedem Auswärtigen in Neuss deutlich vor Augen tritt, wird auch der ökumenisch gesonnene Protestant leichten Herzens zugestehen: die städtebauliche Dominante seiner Stadt, das Wahrzeichen des stets vornehmlich katholischen Neuss, bleibt wie im „hilligen“ Köln das „Haus der anderen Gemeinde“: dort der Dom – hier das Münster. 

Längst aber nimmt auch die Christuskirche ihren Rang unter den Kirchen in Neuss ein. Es kann davon ausgegangen werden, dass um 1905 die über eineinhalb Jahre hinweg mehr und mehr Gestalt annehmende Christuskirche das bedeutendste Bauvorhaben im ersten Jahrzehnt nach der Jahrhundertwende in Neuss gewesen ist. 

Aus der räumlichen Not der kleinen Marienbergkirche am Glockhammer geboren, bedeutete der Bau der Christuskirche für die Evangelische Gemeinde erstmals auch ein eigenständiges Aufzeigen evangelischer Präsenz in Neuss. Wie vehement suchte man dafür zu sorgen, dass rechtzeitig zum“ Centenarium“, dem 100jährigen Jahrestag der Gründung des „Vereinten Protestantischen Kirchenraths zu Neuss [am] 26. Jan. 1806“, der erste aus Mitteln der evangelischen Gemeinde zu Neuss finanzierte Kirchbau eingeweiht werden konnte.

Wir erinnern uns kurz: Seit der Reformation gab es vereinzelte evangelische Prediger in Neuss, doch wohl kaum eine eigenständige Gemeinde. Im Gefolge des 30jährigen Krieges wurde Neuss quasi „Pfandstadt“ zur Einlösung von Kriegschulden und daher von hessischen Soldaten besetzt; diese waren vornehmlich evangelisch. Durch Zuweisung fanden damals für diese auch Gottesdienste im alten Kirchlein am Glockhammer statt. Als jene abzogen, existierte evangelisches Leben in Neuss über 150 Jahre nicht mehr.

Anfang des 19. Jahrhunderts indes kamen auf Grund besserer Verdienstmöglichkeiten vermehrt vornehmlich evangelische Industrielle und in deren Gefolge Fabrikarbeiter aus dem Herzogtum Berg bei Wuppertal nach Neuss, welches unter französischer Herrschaft stand. Der Wahlspruch der französischen Revolution betraf mit „égalité“ (Gleichheit) auch die freie Wahl des Religionsbekenntnisses. So gab Napoleon per Dekret vom 2. Dezember 1804 der entstehenden evangelischen Gemeinde erstmals einen Raum. Von nun an wurde die Kirche Marienberg in dem „aufgelösten“ Kloster am Glockhammer der Ort, an dem die Gemeinde über 100 Jahre hinweg ihre Gottesdienste feierte.

Für den Neubau einer Kirche erhielt die evangelische Gemeinde bereits 1877 die immense Summe von 1500 Mark. Bis zur Erstellung sollten die Zinsen zur Aufbesserung des Pfarrgehaltes verwendet werden.1 Weitere 22 Jahre jedoch wird es dauern, bis der Neubau energisch in Angriff genommen werden kann.

Am 9. März 1898 erfolgt der Beschluss zum Kauf von Grundstücken, welche das Areal des eigentlichen Bauplatzes, des damaligen evangelischen Friedhofes vor dem Hamtor, ergänzen sollten.2 1899 wird eine Anleihe über 200000 Mark bei der Landesbank der Rheinprovinz3 aufgenommen, der Baufond zudem 1901 erhöht.4 

Ein nicht näher datierter Spendenaufruf, vornehmlich für die Glocken,  gibt eine Antwort auf die Frage, weshalb die relativ kleine evangelische Gemeinde in Neuss sich bemühte, eine neue Kirche zu errichten: Denn „ganz abgesehen davon, daß es an den Feiertagen nicht möglich war, den erforderlichen Platz für die Kirchenbesucher zu schaffen, waren wir schon lange gezwungen, auf den Besuch der Kirche seitens der Schulkinder zu verzichten, was von den Eltern, im Interesse einer christlichen Erziehung der Kinder, schmerzlich empfunden wurde“.5

In zwei Ratssitzungen vom 22. Mai und 7. August 1900 überlässt die Stadt Neuss den Evangelischen den Begräbnisplatz an der Pfeilstraße und überweist ihn als „alten evangelischen Friedhof an die evange-lische Gemeinde(…) ohne Rücksicht darauf, ob eine Kirche oder andere Gebäude darauf errichtet werden“.6 

Am 1. Juni 1901 genehmigt das Königliche Consistorium der Bauprovinz den „Repräsentationsbeschluß der evangelischen Gemeinde Neuß vom 15. März betreffend die Erhöhung des Baufonds von 6000 auf 8000 Mark.“7

Der bereits erwähnte Spendenaufruf erläutert weiterhin: „Bei den traurigen Vermögensverhältnissen in der Gemeinde bedurfte es aber erst einer langjährigen Ansammlung eines Baufonds, um der Erbauung eines geräumigeren Gotteshauses überhaupt näher treten zu können, und es war nur zu natürlich, daß man zunächst nur daran dachte, der augenblicklichen Notlage abzuhelfen. Aber schon nach kurzer Zeit mußte sich die Erkenntnis Bahn brechen, daß es unbedingt erforderlich war, den Bau so zu gestalten, daß auf eine längere Reihe von Jahren, auch bei stärkerer Entwicklung der Gemeinde, genügend Raum geschaffen wurde. Nicht minder bot uns die Rücksicht auf die hiesigen schönen katholischen Kirchen, für eine der evangelischen Gemeinde würdige äußere Ausstattung des Gotteshauses zu sorgen“.8

Den „Geberinnen und Gebern“ wird gedankt, jedoch auch auf „Restbeträge“ für die Glocken, die Turmuhr und die Lichtanlage hingewiesen. 

Angebote und Prospekte verschiedener Firmen für Glocke und den Altar, dessen Marmor und für den Blitzschutz werden 1902/03 eingereicht.9 

Nachdem der Düsseldorfer Moritz Korn zum Architekten bestimmt worden ist, legt er am 24. Juni 1904 der Gemeinde auf 89 Seiten einen 20 Posten umfassenden „Kostenanschlag über den Bau der Christuskirche zu Neuß“ über 237.000 Mark vor.10 

Die Endabrechnung Korns, ausgestellt am 15. November 1906 für den „Neubau der Christuskirche in Neuß“, beträgt 272.138,43 Mark.11 (siehe Seite 43)

Spender der Gemeinde finanzieren die Christusfigur über dem Hauptportal, die Fenster des Kirchenschiffes sowie des Chores, sodann die Glocken, den Altar12 samt Aufsatz und Bekleidung, Taufstein nebst silberner Schüssel, Decke und Teppich „in eigener Handarbeit“ sowie „Läufer durch die Kirche und auf der Kanzeltreppe“ und den Teppich im Chorraum. Die Altarbibel wird gestiftet für 95 Mark sowie die der Kanzel 32 Mark. Die Kanzel selbst stiftet Pfarrer Hermanns.13

Am 9. Juli 1904 erstellt Moritz Korn ein „Bau-Programm für den Neubau der Christuskirche in Neuß“.14 Das „I. Baujahr 1904“ lässt er bereits hierin eine Woche später beginnen: „a. 16. Juli: Ausschreibung der Erdarbeiten und Beton- Fundierung“; das „II. Baujahr 1905“ schließt: „n. 15. December (…) die Fenster verglast“; „III. Baujahr 1906: Ende September: Einweihung“.

In rascher Abfolge werden nun die Angebote für Erd- und Betonarbeiten, Maurer- und Zimmerarbeiten eingereicht.15 Beschaffenheit des Materials und Ausführung der Arbeiten, Liefertermine und Verzugsstrafen werden gleichfalls bestimmt wie Abnahme und Garantie.16

Am 6. September 1904 schließlich wird der erste Spatenstich getan. Die polizeiliche Erlaubnis zur Errichtung eines Baubüros wird am
8. September erteilt.17 Im Verlaufe des Herbstes und des Winters sind „die Grundmauern bereits aus der Erde herausgewachsen“.18

Die Grundsteinlegung 

Unter „zahlreicher Beteiligung der Gemeinde“ fand am Sonntag Laetare, dem 2. April 1905, die feierliche Grundsteinlegung der Christuskirche statt.19 Unter Posaunenklang wurde die Feier mit „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren“ eröffnet. Superintendent Müller aus Rheydt hielt die Weiherede im Anschluss an Epheser 2, 20-22. 

Nun sang der Evangelische Männergesangsverein: „Hoch tut euch auf, ihr Tore der Welt“. 

Pfarrer Hermanns verlas die Urkunde:

„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.

Heute am Sonntag Laetare, am zweiten April im Jahre des Heils 1905,

im 17. Jahre der gesegneten Regierung Sr. Majestät

unseres Kaisers und Königs Wilhelm II., 

im 35. Jahre der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches,

wurde(…) unter großer Beteiligung der Gemeinde in festlicher -Feier der Grundstein in den im vorigen Herbste begonnenen -Neubau der evangelischen Christuskirche eingefügt.“20

Hermanns sprach die Bitte um Gottes Segen und schloss:

„Der Name C h r i s t u s k i r c h e möge die Gemeinde allzeit daran erinnern, daß sie keinen anderen Grund des Heils hat als den, der da gelegt ist, Jesus Christus, gestern und heute und der selbe in Ewigkeit, und so selbst in ihr je mehr und mehr erbauet werde zu einer Behausung Gottes im Geiste auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist.“21

Unterzeichnet wurde die Urkunde von dem Superintendenten der Synode Mönchengladbach, dem Presbyterium und der Kirchbaukommission sowie der Bauleitung: Moritz Korn, Architekt und C. Peters, Bauführer. Schulkinder sangen hierauf unter Leitung des Hauptlehrers Prediger ein Weihelied. In einer kupfernen Hülle wurde die Urkunde sodann in den Grundstein eingefügt. Dieser wurde im zukünftigen Chorraum in das Fundament des Altares niedergelegt und unter Hammerschlägen und Segenssprüchen geweiht.22  

Die Reihe der Segenssprüche eröffnete Superintendent Müller. Bezirkskommandeur Oberstleutnant von Langsdorff sprach lateinisch: „In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas“ (In den notwendigen Dingen Einigkeit, in den umstrittenen Freiheit, in allen Liebe).23 Als dreizehnter redete Direktor Th. Bäßler: „Gott zur Ehre, den Menschen zur Lehre“. Nun aber hub Direktor H. Dornbusch an:

„Mit Gottes Hülfe gründen wir heute aus eigener Kraft den ersten Bau einer evangelischen Kirche in Neuß. So Gott mit uns ist, um mich des Wortes unseres Kaisers Wilhelms des Zweiten zu bedienen, wird sie einstmal die siegende erste Kirche sein, wenn nicht in 20 oder in 200 Jahren, vielleicht in 500 Jahren.“24

Pfarrer Hermanns sprach das Schlussgebet, nach dem Chor schloss der Superintendent die Feier mit dem Segen.

Eine Nachfeier fand im Saale des Otto Peppekus statt. Es wurde Kaffee getrunken, Pläne der Kirche wurden hier studiert, es erfolgten An-regungen für den weiteren Bau und die innere Ausschmückung der Kirche. Eine Sammlung für den Glockenfonds ergab zudem den Betrag von 286 Mark.25 

Der Bau der Christuskirche nimmt seinen Fortgang.Die „Fabrik von Turm- Hof- und Eisenbahn- Uhren von J.F. Weule in Bockenem im Harz“ tritt mit dem Presbyterium in „Kontract“26; wir lesen einen Erläuterungsbericht über eine „Niederdruckdampfheizungsanlage“28, sehen aber auch „ Zeichnungen und Schnitt durch das Querschiff, Haupt und Turm“. Glaserarbeiten werden erläutert und Verblendsteinarbeiten, die des Dachdeckers, des Bildhauers sowie des Steinmetzes.29

Dann aber sehen wir auch acht „Zeichnungen von der Christuskirche mit Kanzel“ sowie die „Maße des kompletten Baus der Kirche (1:50).“30 Wir halten den „Kostenanschlag über Lieferung von 3 Glocken“ in den Händen und ebenso ein „Bild eines elektromagnetischen Glockenhebewerkes.“31 Schließlich entsteht ein „Vertrag zwischen dem Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde zu Neuß, vertreten durch den Präses, Pfarrer Heinrich Hermanns daselbst einerseits und dem Hof- Glockengießermeister Franz Schilling, Inhaber der Glockengießerei Carl Friedrick Ulrich in Apolda (Thür.) andererseits, (erstellt laut Gebührenmarke des Kgl. Haupt- Steuer- Amtes  Erfurt am 1. Mai 1906).32 

Das Wohltätigkeitskonzert 

Am 28. Juni 1906 erscheint in der „Neusser Zeitung“ folgende Anzeige:

„Konzert zum Besten der weiteren Ausschmückung der Christuskirche am Samstag, den 30. Juni 1906, abends 8 Uhr, im Saal und Garten des Herrn Weyers, Restaurant „Zum Stadtgarten“. Das Orchester besteht aus Beamten, ehemaligen Militärmusikern (30 Herren) unter der Leitung des Herrn de Marné.

Mitwirkende: Herr Oberpostpraktikant Meyer (Gesang) und Herr Musikdirektor Helmich (Klavier). Eintrittskarten im V o r v e r k a u f  in der Buchhandlung J. van Haag 1,- Mk, an der Kasse 1,25 Mk. —- alles Nähere durch Plakate—-“.33 

Dieses Konzert war in drei Teile gegliedert.34 Das Programm wird eröffnet mit einem Festmarsch von Hentschel und der „Friedensfeier- Festouverture“ von Carl Reinecke. Es folgt das Largo von Friedrich Händel sowie das Finale des 1. Aktes aus „Lohengrin“ von Richard Wagner. Zu Beginn des zweiten Teiles stehen Sätze aus „Peer Gynt“ von Edvard Grieg, denen sich eine Reihe -heute weitgehend unbekannter Kompositionen anschließt.

Das Konzert endet mit der „Fantasie“ aus „Die Fledermaus“ von Johann Strauß.

Die Einweihung

Architekt Moritz Korn hatte am 9. Juli 1904 in seinem Bauprogramm die Einweihung der Christuskirche für Ende September 1906 projektiert. Und wirklich vollzieht sich jene am 26. Sep-tember 1906. Die Feierlichkeiten selbst werden sich über den -gesamten Tag hinweg ziehen.

Die Neusser Zeitung schreibt:

„Der heutige Tag war für die evangelische Gemeinde der Stadt Neuß ein Freuden = und Ehrentag. Ein Doppelfest vereinigte sie zu weihevollen und erhebenden Stunden. Hundert Jahre waren seit ihrer Gründung vergangen am heutigen Tage und gleichzeitig konnte sie das Einweihungsfest ihres neuen, prächtigen Gotteshauses begehen. 

Durch feierliches Glockengeläute am Vorabend, sowie durch Choräle, welche vom Turm der Kirche heute Morgen geblasen wurden, wurde das Fest eingeleitet. Um 9 ¾ Uhr versammelten sich die Festteilnehmer an der evangelischen Schule in der Hammthorwallstraße, um sich im geschlossenen Zuge zur neuen Kirche zu begeben, an der Spitze des Zuges schritt die Geistlichkeit.“35 Auch Kinder zogen mit durch die Straßen, welche auch von katholischen Mitbürgern reich geschmückt worden waren.36

Vor der Christuskirche überreicht Architekt Moritz Korn Konsitorialrat Mettgenberg den Schlüssel. Mettgenberg gibt diesen weiter an den Pfarrer der Christuskirche, Heinrich Wilhelm Hermanns, mit dem Worte: „Wie lieblich sind deine Wohnungen, o Herr!“ Hermanns öffnet die Kirchtüre mit dem Segensspruch: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.“37 

Die Gemeinde betritt die Kirche. Nach dem Orgelvorspiel singt die Gemeinde, nach dieser der Kirchenchor den 100. Psalm. Konsistorialrat Mettgenberg vollzieht den Weiheakt: „Unter brausenden Orgelklängen haben wir zum ersten Male diesen Raum betreten, jauchzende Jubelklänge haben zum ersten Male diese Hallen durchtönt; unsere Herzen sind voll Lob und Dank, daß das schöne Werk vollendet ist, daß die Gemeinde Neuß eine neue würdige Stätte der Andacht gefunden und daß schlank der Turm von der Erde hinaufragt zu des Himmels Höhen. Jetzt soll sie ihrer Bestimmung übergeben werden. 

C h r i s t u s k i r c h e  ist das Haus genannt, und ihm, dem Herrn und Meister sei es geweiht!“38

Nach einem Gruß der Provinzialsynode, einem weiteren Lied der Gemeinde39 und der Liturgie40 hält Pfarrer Hermanns die Festpredigt nach Apostelgeschichte 4, 5-13.41 

„Dieser Tag“, so sagt Hermanns, solle „fortan für alle Zeiten zu einer Quelle reichen Segens werden(..). Durch Gottes Gnade ist nun das Ziel erreicht, nach welchem wir solange, nach welchem Alt und Jung sich gesehnt haben; ahnend haben wir erst mit stiller Hoffnung danach ausgeschaut, haben es kaum zu erwarten gewagt, und nun ist der Tag da, eher als wir’s gedacht, das Werk ist vollendet, schöner, als wirs zu hoffen wagten. Das ist vom Herrn geschehen und ein Wunder vor unseren Augen.“

Hermanns gedenkt „der Bauleute“, dankt „jedem treuen Arbeiter, der im Schweiße seines Angesichts den Bau mit in die Höhe getragen“ und fährt fort: „Unter dem Segen des himmlischen Baumeisters ist der äußere Bau glücklich zu Ende geführt- nun soll ein neuer Bau aufgeführt werden, (…) ein Bauen nicht mit irdischen Steinen, sondern ein Bauen mit und an lebendigen Steinen, an und mit teuren Herzen, die erbaut werden sollen zu rechten Tempeln Gottes und des heiligen Geistes“. Christus sei hierbei„der Eckstein des Reiches Gottes und der unerschütterliche Grund unseres Heils“. 

Hermanns endet mit folgendem Segenswunsche:

„Möchten so denn in diesem Gotteshause immer mehr Seelen zu Christo geführt, unsere Herzen immer fester mit ihm verbunden werden, dann wird das neue Gotteshaus wie das alte Kirchlein die hundert Jahre hindurch zu einer Stätte reichen Segens werden. Seine Türen sind heute geöffnet und sollen fortan offen stehen für alle (…)Es ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen sie sollen selig werden, denn der Name Jesus Christus. Amen.“

Nun singt die Gemeinde42, Mettgenberg betet das Vaterunser und erteilt nach einem weiteren Liede43, welches stehend unter Glockengeläute gesungen wird, der Gemeinde den Segen.

Nach Beendigung der Feier um 12.15 Uhr begann um 14.00 Uhr im Großen Saale des „Rheinischen Hofes“ ein Festessen, zu dem sich 120 Teilnehmer eingefunden hatten.

Die „Neusser Zeitung“ vermerkt: „Auf dem Podium stand inmitten eines geschmackvollen Arrangements von Blattpflanzen die Büste des Kaisers.“ Weiterhin wird erwähnt, dass die „Lück’sche Kapelle“, welche zur Tafelmusik gebeten hatte, sich ihrer Aufgabe „in vornehmer und decenter Weise“ gewachsen zeigte.44 Zu Beginn des Festessens werden Ochsenschwanzsuppe, Rheinsalm mit Butter und Kartoffeln aufgetragen.45

Nun redete Konsistorialrat Mettgenberg. Zunächst gedachte er „in warmen Worten des Kaisers“.46 Dann weist er der Christuskirche, die er einerseits nicht „zu den großen und bedeutsamen Bauwerken“ entlang des „Rheinstromes“ zählen möchte, welche „den Wandersmann grüßen“, dennoch sogleich einen „Ehrenplatz“ zu, „in ihrer schönen, einfach vornehmen Form“.47 Nachdem aber nun „Gott gegeben, was Gottes ist, Preis und Anbetung und Dank“ geziehme es sich, „an die andere Hälfte des Spruches zu denken: ‚Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist‘, treue Anhänglichkeit, Gehorsam, Dankbarkeit für alles, was wir von ihm, von seiner Staatsregierung haben“. Wilhelm II. „Interesse für den Bau christlicher Kirchen“ sei auch heute dadurch bekundet, „indem er Herrn Pfarrer Hermanns den Roten Adlerorden
4. Klasse und dem Herrn Kirchmeister Koenemann den Kronenorden
4. Klasse verliehen habe.“48

Mettgenberg lässt also den Kaiser hochleben, die ganze Versammlung soll begeistert eingestimmt haben.

Nun spricht Pfarrer Hermanns von seiner Freude, „welch‘ schönes, enges, einmütiges Verhältnis hier zwischen den Konfessionen besteht, und wie das gerade den Gedanken nahe gelegt habe, die Glocken der Christuskirche so herstellen zu lassen, daß sie mit denen der Quirin-und Marienkirche in vollem Einklang ständen. Heute dürfen wir sagen, daß uns dies dank der Kunst des Glockengießers, Herrn Schilling in Apolda, voll und ganz gelungen ist; voll und ganz mischen sich die Glockenklänge der Christuskirche in die der beiden andern Kirchen. Ich habe den Eindruck erhalten, daß, wenn alle Kirchen zusammenläuten, alle dann in völlig harmonischem Einklang über die Stadt erklingen und wir dabei nur den einen Wunsch haben können: ‚Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute!‘“.

Vier weitere Reden folgen. Sanitätsrat Dr. Rheins trägt ein siebenstrophiges Gedicht vor, in welchem er laut dem Chronisten der Festschrift „den Eindrücken, die er beim ersten Läuten der Glocken empfunden, in poetischer, schwungvoller Rede den entsprechenden Ausdruck“ ver-liehen haben soll.49

Bürgermeister Gielen wiederum sieht in seiner alle Parteien einigenden Funktion in der Christuskirche eine Zierde des Stadtviertels und der ganzen Stadt, ein neues Merkzeichen für den Wanderer, Neuss so in weiterem Aufschwung und fortdauernder Entwicklung. Der -harmonische Einklang katholischer und evangelischer Glocken der Stadt „mahne uns, den konfessionellen Frieden, der in unserer Stadt nie getrübt worden sei, auch fernerhin festzuhalten und Schulter an Schulter zu kämpfen gegen Unglauben und Umsturz.“50

Nun wurden Glückwunschschreiben verlesen sowie an den Stifter der Chorfenster, Christian Schieren in New York, ein herzliches Danktelegramm gesandt.

Als weitere Gänge nach der Ochsenschwanzsuppe sowie des Rheinsalms werden nun gereicht: Lendenbraten garniert, Junge Gänse mit Salat und Compot, Nachtisch;

dazu: sieben Mosel- fünf Rhein- vier Rote- fünf Champagner.51

Kirchengelder indes werden für dieses opulente Mahl nicht verwendet; davon zeugt die „Abrechnung der freiwilligen Sammlung zur Bestreitung der Kosten für die Ehrengäste bei Gelegenheit der Einweihung der -Christuskirche 1906“ am 1. Dezember 1906. Sie beträgt 710, 40 Mark.52

„Nach dem Festessen begaben sich am Abend die Festgäste gemeinschaftlich zur Besichtigung der in jeder Beziehung glänzenden Illumination, an der sich alle Häuser der näheren und weiteren Umgebung- ohne Ausnahme und ohne jeden Unterschied der Konfession in außer-ordentlicher Einmütigkeit beteiligt hatten. Lange wogte man an dem herrlichen Abend in freudigster Stimmung durch die Straßen und freute sich an dem schönen Bilde, da die von den Lichtern erleuchtete Kirche auf dem dunklen Hintergrunde um so wirkungsvoller in ihren schlanken Formen sich abhob und zur vollen Geltung kam.“53

Am darauffolgendem Sonntag, dem 30. September, trinken 600 Gemeindemitglieder  im Rahmen einer allgemeinen Festfeier gemeinsam  „im großen Saale der Witwe Pelzer“ Kaffee und sehen mit sicherlich großem Interesse die Vorführung von „68 Lichtbildern in Größe von 2 Metern“: „Im zusammenhängenden, mustergültigen Vortrage gab Herr Baumeister Korn zu den einzelnen Bildern die nötige Erklärung und wußte die Festgäste von Anfang bis Ende zu fesseln, die so gleichsam die ganze Kirche im Laufe einer Stunde vor ihren Augen aufwachsen sahen, bis zur Schlüsselübergabe am Tage der Einweihung.“54

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